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Aug

Denglisch – wenn Marketing seltsame Blüten treibt

In Zeiten internationaler Vernetzung tendieren immer mehr Unternehmen dazu, der englischen Werbesprache anheimzufallen. Besonders kleine und regionale Unternehmen setzen seit Jahren verstärkt auf „denglische“ Werbesprüche, im Fachjargon auch „Claims“ genannt. Vielfach generiert diese künstliche Internationalität jedoch vor allem eines: Unverständnis. Schließlich gaben in einer aktuellen Studie rund 61 Prozent der Deutschen an, kaum oder gar kein Englisch zu verstehen. Somit verfehlen gut gemeinte Aufforderungen wie beispielsweise YouTubes „Broadcast Yourself“ häufig ihre Wirkung – und das mitunter mit skurrilen Folgen …

„Mach’ deinen Brotkasten selber“

Ein guter Werbespruch sollte vor allem eines implizieren – Emotionalität, Relevanz und Alltagstauglichkeit. Schließlich gilt es, potenzielle Kunden zu binden. Im Falle des oben genannten „Broadcast Yourself“ ist die Sinnhaftigkeit des Claims jedoch fraglich: Diesen Werbeslogan interpretiert nur jeder dritte Deutsche korrekt. Manch einer übersetzt den Spruch gar mit „Mach’ deinen Brotkasten selber“. Dabei ist Englisch bzw. Denglisch pauschal nicht schlechter als Deutsch in der Werbung, es kann dynamisch, weltoffen und modern wirken – aber eben auch unverhältnismäßig, albern oder verwirrend. Ein schönes Beispiel dafür ist der aktuelle Claim des Privatsenders SAT1: „Colour your Life“. Ins Deutsche übersetzt wirkt das nett gemeinte „Bring Farbe in dein Leben“ allenfalls skurril – schließlich liegt die Einführung des Farbfernsehens bereits über 40 Jahre zurück.

Übersetzen Sie noch oder verstehen Sie schon?

Der prozentuale Anteil an Denglisch in der Werbung hält sich seit zehn Jahren auf einem hohen Niveau – das allgemeine Verstehen hat sich in dieser Zeit allerdings kaum an das englische Dauerfeuer angepasst. Experten zufolge sind trotzdem etwa 25 der 100 beliebtesten Werbevokabeln englischen Ursprungs. Englisch sollte also nicht immer der Weisheit letzter Schluss sein, wenn es um die eigentliche Essenz des Marketings geht: den Kundenkontakt. Nachfolgend ein paar Beispiele, die zeigen, von welchen Marketingwunderwaffen man besser Abstand halten sollte.

  • Der „nicht ganz richtig ist auch nicht falsch“ Slogan
    Viele denglische Werbesprüche werden missverstanden. Hin und wieder ist das egal: Dem Erfolg des Burger-King-Spruchs „Have it your way“, der jahrelang von vielen Kunden fälschlicherweise als „Nimm’s mit auf den Weg“ interpretiert wurde, tat dieser irrtümlichen Auslegung keinen Abbruch. Schließlich bleiben die positive Botschaft sowie die Einfachheit des Claims erhalten.
  • Der „Wenn deutsche Werbeprofis auf englische Muttersprachler treffen“ Slogan
    Peinlich wird der Einsatz von denglischer Werbung im deutschsprachigen Raum vor allem dann, wenn aus Unwissenheit falsche Vokabeln verwendet werden. Trifft der unglaublich innovative Slogan dann auf Muttersprachler, kann das für einige Verwirrung sorgen. Für diese klingt der vermeintlich unverfängliche „Bad Guide“ nämlich nicht wie ein Badezimmer-Leitfaden, sondern schlicht und ergreifend wie ein „schlechter (Reise-)Führer“.
  • Der „Englisch als Notfalllösung“ Slogan
    Wenn die Aussage des favorisierten Werbespruchs auf Deutsch viel zu banal klingt, dann sag es doch einfach auf Englisch! Hier paart sich oftmals fehlende Verständlichkeit mit nicht vorhandener Relevanz. Aus aktuellem Anlass muss wohl die Seat-Werbung mit Fußballtrainer Jürgen Klopp Modell stehen. Dieser schmettert im besagten Spot beinahe ununterbrochen „Enjoy“ in die Kameras, was den Otto Normalverbraucher mehr über die Sinnhaftigkeit denn über die unglaublich innovative Aufforderung zum „enjoyen“ nachdenken lässt.
  • Eine Rarität: Der „deutsche“ Slogan
    „Home is where the heart is“ – so abgedroschen sie klingen mag, so zutreffend ist diese englische Binsenweisheit: Werbeslogans erreichen oftmals dann ihr Ziel, wenn sie Identifikationsmerkmale des jeweiligen Landes berücksichtigen – in diesem Fall die deutsche Sprache. Zumeist wirkt diese auf deutsche Muttersprachler emotionaler und auch authentischer, wie man an erfolgreichen Beispielen wie etwa „Quadratisch, praktisch, gut“ oder „Unterm Strich zähl’ ich“ erkennen kann.

Denglisch und Deutsch – zwei ungleiche Brüder

Fest steht also: Internationalität und Originalität erreicht man häufig nicht durch verklausulierte Anglizismen, sondern durch „Sense and Simplicity“. Ob eine Werbebotschaft Aufmerksamkeit erregt oder überflüssig ist, liegt vielfach an englischsprachigen Marketingexperten, die von internationalen Unternehmen eingesetzt werden. Sie kennen den deutschen Verbraucher bestenfalls aus Studien und übertragen ihre eigene Internationalität fälschlicherweise häufig auf den Otto Normalverbraucher.

Mit Material von Spiegel.de, Meedia.de

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