03
Feb

Sprachpuristen: „…eine gesetzliche Regelung mit außergewöhnlichem Charakter“

Die Deutschen sind bekanntlich ganz groß im Schützen der unterschiedlichsten Dinge: Wälder, Trivialliteratur und die Ehre der Sylvie van der Vaart – per Gesetz oder moralischer Ideologie schützen wir eben alles, was wir im Laufe der Geschichte lieb gewonnen haben. Warum also nicht auch unsere Sprache, so unmelodisch und hart sie auch sein mag. Unsere alten Erzfreunde westlich des Rheins sind da bereits einen Schritt weiter. Die französische Verfassung besagt nämlich, dass „Französisch die Sprache der Republik sei“ – Santé!

Eine Sprache muss die Realität wiedergeben können

Sämtlicher Unterricht findet in Frankreich auf Französisch statt – und das sowohl auf universitärer wie auch schulischer Basis. Des Weiteren garantiert das sogenannte „Toubon-Gesetz“ von 1994 den Gebrauch der französischen Sprache in gewissen Bereichen wie etwa dem Konsum: Die Produktinformationen auf Lebensmittelverpackungen müssen laut diesem Gesetz in Französisch verfasst sein. Die französischen Sprachpuristen schützen also ihr sprachliches Hab und Gut. Dies geschieht jedoch nicht aus Angst vor fremden Einflüssen. Vielmehr sehen es unsere Nachbarn als das gute Recht aller Franzosen an, Sprache als ein universelles Kommunikationsmittel nutzen zu können. Ist das öffentliche und private Leben also durch das Französische geprägt, so prägt diese Regelung auch die Menschen, die in diesem System leben. Integration also per Verordnung?

„Wir leben in einer entgrenzten, globalisierten Welt“

Ist die Sprache also der Kleister, der uns alle zusammenhält? Identifizieren wir uns so sehr mit den Lauten, die wir in unserer Kehle formen? Geht es nach dem „Verein deutscher Sprache“ (VDS), so lassen sich diese Fragen nur mit einem wackeren „Ja!“ beantworten. Jährlich schwadronieren seine immerhin rund 36.000 Mitglieder alias Sprachpuristen über die „Verhunzung“ der deutschen Sprache, Denglisch und – den Duden: „Wie kaum eine andere Organisation trägt der Duden seit Jahren dazu bei, dass sich deutsch sprechende Dummschwätzer und Sprachverhunzer aller Art im Glanze einer quasi amtlichen Zustimmung sonnen dürfen”. Sprachwissenschaftler aus aller Welt zeichnen hingegen ein nicht ganz so tintenschwarzes Bild der deutschen Artikulation: Sprachen sind pragmatische Gebilde, elastische Worthülsen, die erst die jeweilige Zeit und ihre Umstände mit Leben füllen. Globalisierung und Internationalität gelten unter Fachleuten längst nicht mehr als Bedroher unseres mündlichen Kulturguts – vielmehr verleibt sich unsere Sprache im Kontakt mit Nachbarn jeglicher Art auch deren Angewohnheiten ein.

Sprachpurismus ist geil?

In den Bereichen Bildung und Ausbildung gilt den Franzosen das Französisch als einzige legitime Sprache – Sprachpuristen, erhebt euch! Immerhin ist das menschliche Gehirn in keinem anderen Stadium so lernfähig wie in der pickeligen Jugend. Wenn nicht jetzt ein gemeinsames Fundament anhand einer universell beherrschten Sprache geschaffen wird, wann denn dann? Im Umkehrschluss bedeutet dies: Der Schutz der Sprache beinhaltet ebenso den Schutz des Bürgers – Demokratie in kleinen Bröckchen! Wo aber die Grenze ziehen zwischen Inklusion und Exklusion? Bedeutet sprachliche Identität nicht auch den Ausschluss anderssprachiger „Minderheiten“? Fest steht eines: Eine Sprache mittels gesetzlichem Maschendrahtzaun zu schützen ist eher kontraproduktiv. Auch die Franzosen verteidigten ihr mündliches Kulturgut in früheren Zeiten mit nahezu allen Mitteln: Die „grande nation“ war früher ein Land der vielen Sprachen. Baskisch, Bretonisch und Okzitanisch wurden in vielen Regionen des Landes gesprochen. Mittels rigider Politik wurde die französische Sprache im Laufe der Zeit in eine dominante Position gebracht, andere Sprachen wurden an den Schulen des Landes verboten. Wie auch immer sich die Debatte rund um Muttersprachen, fremde Einflüsse und Vielsprachigkeit entwickeln wird – eines steht fest: „Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es versteht“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Mit Material von Goethe.de, Welt.de

Foto © Hugh O’Neill – Fotolia.com

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