02
Jul

Rhetorik-Regeln: Der Weg zur guten Rede

„I have a dream“ – jeder kennt das Zitat aus der berühmten Rede, mit der der Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Martin Luther King im August 1963 Millionen Menschen zu Tränen rührte. Im Verlauf des Vortrags legte King sein Manuskript zur Seite und sprach dann völlig frei. 250.000 Zuhörer hingen in Washington an seinen Lippen und verfolgten gebannt jedes Wort. Leidenschaft für die Sache macht glaubwürdig – doch auch gute Rhetorik (altgr. „rhētorikḗ“ – „Redekunst“) ist ausschlaggebend für eine gelungene Rede. Welche Rhetorik-Kniffe verhelfen zu einem gelungenen Vortrag und welche Faktoren spielen außerdem eine Rolle?

Nicht jeder Redner muss ein Martin Luther King sein

Die Wahrscheinlichkeit, ein weiteres Mal mit einer solchen Rede Geschichte zu schreiben, ist gering. Dennoch müssen wir, beispielsweise im Job, nicht selten vor großem Publikum sprechen und die Zuhörer von unserem Thema begeistern – und sei es noch so trocken. Zunächst einmal müsse eine Rede möglichst frei gehalten werden, um die Zuhörer für sich einzunehmen, erklärt Hans-Uwe Köhler, Autor und Mitglied der German Speakers Association, einem Netzwerk deutschsprachiger Trainer und Referenten. Der Redner muss für seine Sache brennen – und zwar nicht nur bei hochemotionalen Grundsatzfragen wie der Aufhebung der Rassentrennung, sondern auch für das Thema seines Vortrags in der Firmenaula. Zu viele Redner seien „in ihrer Außenwirkung wie emotionale Krüppel“, findet Köhler. Dem Zuhörer ist binnen weniger Minuten klar, ob der Vortragende ein Ziel verfolgt, hinter dem er steht.

Mit einfachen rhetorischen Mitteln zum gelungenen Vortrag

Viel zu oft versuchen Redner zu verkrampft, festgelegte Rhetorik-Regeln zu befolgen, die ihnen vermeintliche Rhetorik-Koryphäen in überteuerten Seminaren wärmstens ans Herz legen, betont Thilo Baum, Journalist und Rhetoriktrainer. Gerade stehen, das vermittelt Selbstbewusstsein. Arme nicht verschränken, das wirkt unsympathisch. Den guten Anzug anziehen, für die Seriosität. Fensterglasbrille auf! Das signalisiert Kompetenz. Alles „Verhaltensquatsch“, sagt Baum. Dramaturgie, Gestik und Haltung sind zwar in einem Vortrag nicht völlig überflüssig, im Vordergrund müssen aber eine präzise Formulierung und vor allem der Inhalt stehen. Wenn das Gesagte durch Substanz besticht, kann eine Rede gänzlich ohne „Verhaltensquatsch“ auskommen – ein eindrucksvolles Beispiel hierfür liefert der brillante Wissenschaftler Stephen Hawking in seinen Vorträgen. Auch die verkrampfte Suche nach einem geschichtsträchtigen Satz à la „I have a dream“ oder „Ich bin ein Berliner“ hat wenig Sinn. Die berühmtesten politische Zitate sind meist keine sprachlich ausgefeilten, wochenlang durchdachten Kunstsätze, sondern entstehen im Zuge gesellschaftlicher Umbrüche und im Kontext des Zeitgeistes, oft auch durch einen Zufall. Dennoch gibt es durchaus rhetorische Grundregeln, die für eine gelungene Rede befolgt werden sollten.

• Prägnanz und Kürze: Der Wortschatz von Martin Luther Kings Rede umfasste keine 1.000 Wörter. Die Informationen müssen vollständig sein, auf Ausschmückungen und verschachtelte Sätze darf jedoch getrost verzichtet werden

• Verständlichkeit: Die inflationäre Verwendung von Fremdwörtern wirkt auf das Publikum weder außergewöhnlich kompetent noch gebildet, sondern eher verärgernd

• Metaphern eignen sich in moderatem Maße hervorragend, Vorträge anschaulich und lebendig zu gestalten, da mit Bildern verknüpfte Fakten eher im Gedächtnis bleiben

• Rhetorische Fragen wecken die Aufmerksamkeit der Hörerschaft und animieren zur aktiven (Denk-)Beteiligung

• Ein Zitat am Anfang oder am Ende hat für den Zuhörer einen Wiedererkennungswert – er fühlt sich in das Thema einbezogen

• Vermeiden Sie Pauschalisierungen: Zahlen, Fakten und Statistiken überzeugen das Publikum eher als Stereotypen und Verallgemeinerungen

• Derbe Witze und lockere Sprüche können je nach Publikum zu Beginn die Stimmung lockern, sollten sich jedoch nicht häufen – andernfalls riskiert der Redner seine Glaubwürdigkeit

Am wichtigsten für einen gelungenen Vortrag sind neben dem Inhalt Wortwahl und Aussprache. Eine allgemein verständliche Ausdrucksweise wirkt laut Rhetorik-Experte Baum viel authentischer als Fachchinesisch und verschwurbelte Satzkonstruktionen. Denn dann schaltet das Publikum ab – trotz Sonntagsanzug. Oder um es mit Baums Worten zu sagen: „Wenn jemand etwas zu sagen hat, dann ist es egal, ob er dabei die Hand in der Hosentasche hat.“

Quellen: www.redewelt.de, Die Zeit, Handelsblatt

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